Leute, die genervt dreinblicken, wenn ein Baby weint, um den Eltern suggestiv Vorwürfe zu machen, sind nerviger als alle Babies zusammen.
— T (@Taddl) 4 septembre 2017
Seit dem ich mich erinnern kann, gab es schon immer ein bestimmtes Phänomen, das mich zum Augenrollen gebracht hat:
Ein Kind weint und drehen sich um, seufzen, rufen Ohhhh, verschränken ihre Arme und verdrehen dabei die Augen. Und das meine ich ernst: Ich verstehe nicht, was es da genau zu gucken gibt, denn man weiß ja schon, was passiert, da man schon in seinem Leben tausend Mal in dieser Situation gewesen ist (ich rede vorallem von den Erwachsenen). Ich habe immer das Gefühl, diese Leute wollen es Mutter absichtlich schwer machen, weil es ihnen selbst Spaß macht. Denn ihr könnt mir nicht erzählen, dass diese Blicke der Durchschnittsmutter egal sind. Ja, es ist irgendwie immer die Mutter, selbst wenn der Vater daneben steht. Aber es spielt jetzt eigentlich keine Rollen, denn es geht jetzt eher um Kinder.
Wir wissen es alle, es kommt manchmal einfach vor, dass Kinder oder auch Babys in der Öffentlichkeit heulen. Und viele, viele, viele behaupten, wenn sie sowas sehen oder hören, dass dieses Kind
einfach nur schlecht erzogen ist. Und das denken sogar die Eltern selbst.
Was meint man eigentlich damit, wenn man einer anderen Person sagt, sie sei "kindisch"? Dass sie unreif ist. Damit sagt man, dass Kinder unreif sind, und das per Definition.
Wieso meint man also, dass Kinder schlecht erzogen sind, weil sie unreif sind, also mehr Schwierigkeiten damit haben, mit ihren Emotionen umzugehen, wenn Kinder per Definition unreif sind?
Entweder eine Sache ist veränderbar, oder sie ist es nicht.
Reif ist man, wenn man durch Lebenserfahrung innerlich gefestigt ist. Vielleicht hat dieses Kind einfach noch nicht die Erfahrung gemacht, es sei peinlich zu weinen oder dass es ein Symptom des Hasses ist, den er gegenüber seinen Eltern verspürt (denn Kinder, die nicht gehorchen, hassen ja ihre Eltern, das ist uns ja alle bekannt).
Dazu kommt auch, dass Kinder mehr Schlaf brauchen und wenn man müde ist, kann man sich weniger gut konzentrieren. Oder sie konnten nicht alles machen, was sie wollten, und das Vorhaben der Eltern ist die Priorität. Oder sie haben das Spielzeug nicht haben können, das aus der Werbung kennen. Die bösen Eltern, die ihre Kinder nicht vor der omnipräsenten Werbung schützen! Was für eine schlechte Erziehung!
Da merkt man schon: Den Eltern, und besonders die Mutter, wird die Schuld für das Schreien ihres Kindes gegeben. Sie wird als inkompetente, laxe, schlechte Mutter von anderen wahrgenommen. Ne, es liegt nicht daran, dass das Kind noch nicht genug Erfahrungen gemacht hat, um zu wissen, dass es übertrieben ist dafür zu heulen, dass das eine Ärmel höher ist als das andere oder dass 100 Euro für eine lebensgroße Puppe für die meisten Familien ein bisschen viel ist. Da kann die Mutter auch nichts machen.
Unsere Sicht über die gute Erziehung wird nicht mithilfe der Frage bestimmt, was das beste für sie ist, wie so oft behauptet wird, aber viel mehr mithilfe der Frage, wie wir sie, Nichtkinder,
gerne hätten, damit wie wir nicht ertragen müssen.
Ich denke gerade an die Menschen, die behaupten, Kinder zu hassen, weil sie zu laut sind. Aber einen Mann darum zu bitten, nicht durch den ganzen Bus zu brüllen, da traut man sich nicht mehr
richtig.
Das liegt daran, dass Erwachsene sich erlauben können, über Kinder zu reden, ohne dass ein Kind etwas dagegen macht. Tut es dies, ist es frech und schlecht erzogen. Und es wieder einen Grund,
Kinder zu hassen.
Frau XX (30) geht mit ihrer Tochter (4) im Supermarkt (soll sie extra eine Babysitter anrufen oder was? Im Auto lassen? Das Kind zu Hause lassen ist auch nicht
richtig).
Es dauert für ihre Tochter aber zu lange, sie hat schlecht geschlafen und wieder einmal nicht das coole Spielzeug aus der Werbung bekommen und überhaupt weiß
sie überhaupt gar nicht, wieso sie mitkommen musste, da sie deswegen jetzt ihre Lieblingssendung verpassen musste. Also fängt sie mitten im Weg einer Abteilung an zu heulen.
Die Blicke senken sich alle auf die Mutter. Sie muss etwas tun. Und sie weiß, dass sie angeschaut und über sie geurteilt wird.
Claudia ist vielleicht selbst müde und genervt davon, aber es ist ihr unangenehm: Das Verhalten ihrer Tochter ist ihr peinlich. Ironisch, dass einem das Verhalten einer vierjährigen Person
peinlich sein kann, würde man sie kontrollieren können und als es selbstverständlich, dass sie sich selbst kontrollieren kann. Es ist viel mehr selbstverständlich, dass sie es nicht
kann.
Selbstbeherrschung ist etwas, was man lernen muss! Und viele Eltern kontrollieren lieber ihre Kinder statt ihnen beizubringen, sich selbst zu kontrollieren!
Da es ihr peinlich ist, will sie, dass es aufhört und das auch so schnell wie nur möglich. Sie wird mit ihrer Tochter schmipfen, mit Bestrafungen drohen, was
das Kind eigentlich nur noch mehr zum Weinen bringt, denn als ob angeschrien zu werden die Tränen stoppen?
Da sie nicht damit aufhört, wird das Peinlichkeitsgefühl der Mutter zur Wut. Eine Wut, die nicht entstanden wäre, wenn die Mutter nicht angeguckt geworden wäre.
Eltern wollen nicht als schlechte Eltern wahrgenommen werden. Frau XX will ihr Image retten, das ist ihr wichtiger als die Gefühle ihrer Tochter.
Es gibt ja auch die Eltern, die das gleiche machen, wenn sie niemand dabei schaut. Aber vielleicht weil sie gesehen haben, "die anderen Eltern, die ich sehe [nämlich in der Öffentlichkeit],
erziehen ihr Kind so, also mache ich es auch!".