"Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnlich starke Beweise."
- Carl Sagan
Wenn mir eine Person sagt, dass sie zuhause eine Katze hat, dann glaube ich dieser Person. Wenn sie aber sagt, dass sie zuhause eine Katze hat, die reden kann, da möchte ich, dass sie mir diese zeigt, bevor ich ihr glaube.
Im ersten Fall gibt es nichts Außergewöhnliches, da reicht es, dass es mir jemand gesagt hat. Ein BEricht ist zwar ein schwacher Beweis, aber wieso sollte ich skeptisch sein?
Der zweite Fall ist aber viel überraschender, da reicht es nicht, dass es jemand gesagt hat. Da verlange ich Beweise. Wenn die Person mir keine geben will und sich darüber beschwert, dass ich ihr nicht glaube... ist es ihr Problem.
Was ohne Beweise behauptet wird, kann ohne Beweise abgelehnt werden.
Viele Menschen finden, dass sie aufgeschlossen sind. Sie behaupten, sie seien bereit, neue Ideen zu anzunehmen, auch wenn sie mit ihrer Weltansicht kollidieren, also auch wenn sie dafür alles, was sie bisher geglaubt haben zu wissen, hinterfragen müssten.
Jemand, der verschlossen ist, würde es nicht tun.
Aber zwei Dinge sind zu vermeiden: Dogmatismus und Relativismus.
Jede neue Idee, ohne sie zu bewerten, anzunehmen, ist genau so dumm, wie jede neue Idee, ohne sie zu bewerten, abzulehnen.
Vorallem sind viele der Ideen nicht miteinander kompatibel.
Religionen, zum Beispiel, können nicht alle gleichzeitig wahr sein. Entweder gibt es ein Paradies, oder es gibt keins. Entweder sind wir neugeborene Seelen, der Traum einer außerirdischen Kuh
oder was anderes. Nicht alles gleichzeitig.
Es gibt eine Methode, um zwischen dem "wahrscheinlich wahr" und "wahrscheinlich falsch" zu trennen, um Informationen zu bewerten, vergleichen, etc., das nennt man Zetetik.
Man braucht ein Sieb, das sich kritisches Denken nennt.
Ein Kind kommt zu dir und behauptet, dass es telepathieren kann. Es will es dir beweisen, indem es dir zwei Karten gibt und es dir dann sagt, welche das ist – die Blaue oder die Rote.
Wie soll ich vorgehen, um zu wissen, ob es wirklich stimmt und ob ich an Telepathie glaube?
Man muss herausfinden, ob das Phänomen reproduzierbar ist. Ein einziges Gelingen reicht mir nicht, denn es gibt eine Chance von zwei, dass man es auch schafft, wenn man etwas Zufälliges sagt.
1 Gelingen = 50%
Wenn es dem Kind jedoch immer wieder gelingt, die Karte heraus zu finden, bin ich eher beeindruckt.
2 Gelingen = 25%
3 Gelingen = 12,5%
4 Gelingen = 6,25%
5 Gelingen = 3,12%
6 Gelingen = 1,56%
7 Gelingen = 0,8%
Wenn das Kind es 7 Mal hintereinander schafft, hat es weniger als eine 1%ige Chance gehabt, es zufällig zu schaffen.
Aber die wenigsten der Menschen, die behaupten, besondere Gaben zu haben, behaupten auch, dass es jedes Mal klappt.
Auch wenn es nicht immer klappt, heißt es jedoch nicht, dass Telepathie nicht existiert.
Es muss einfach öfter als der Durchschnitt klappen.
Dafür braucht man sehr viele Versuche.
Wenn es 50 Male von 100 geklappt hat, dann hatte man eine 50%ige Chance, es auch zufällig zu schaffen.
Wie viel braucht man, um weniger als eine 1%ige Chance zu haben, es auch zufällig schaffen?
Wenn ihr es ausrechnet, kommt ihr auf 63 gelungene Versuche von insgesamt 100.
Man kann also sagen, "ich erkenne, dass du etwas kannst, wenn dir 63 Versuche von 100 gelingen".
Es ist ein sehr strenger Test. Die meisten wissenschaftlichen Studien, egal welche Disziplin, nehmen nicht 1%, sondern 5%.
Das heißt, wenn man ganz viele Tests mit vielen Hellseher·innen macht, wird es immer ungefähr 5% von ihnen geben, die es schaffen werden, die These zu bestätigen, auch wenn keine von ihnen Dinge, die räumlich entfernt sind, wahrnehmen kann. 5% sind 1 Person von 20.
Wenn man davon ausgeht, dass der Test beklappt hat:
Bedeutet es, dass Telepathie existiert? Nein, es schließt die Hypothese aus, dass es Zufall ist.
H0 (Nullhypothese) = Zufall
H1 (die Behauptung des Kindes) = "Telepatieren existiert, ich spüre zelebrale Wellen"
H0 abzulehnen, heißt aber nicht, dass H1 zwangsläufig richtig ist.
Es kann H2 sein: Es macht eine AKE (außerkörperliche
Erfahrung).
Zelebrale Wellen existieren nicht, es hat ihr Bewusstsein im Raum bewegt, um die Farbe der Karte zu sehen (ähnlich wie in Beyond Two Souls).
Oder H3: Es gibt einen Trick: Ein Spiegel befindet sich im Raum.
Oder H4: Es hat eine·n Komplizen/Komplizin.
Oder H5: Es kann Cold Reading ohne es zu merken.
Oder H6: Es verwendet markierte Karten.
Etc.
Um herauszufinden, welche Möglichkeit man privilegieren sollte, muss man jede Behauptung einzel überprüfen.
Wenn die Nullhypothese aber nicht widerlegt wurde, bringt nichts nach den Ursachen des Phänomens zu suchen, also die weiteren Hypothesen zu überprüfen.
Es ist unnötig und lächerlich sich zu fragen, wie eine Kristallkugel die Zukunft zeigen kann, wenn es noch nicht bewiesen wurde, dass sie es überhaupt kann.
So klingt es einfach und selbstverständlich, aber im Alltag gibt es sowas ganz oft...
→ "Ist es dis Flüchtlingspolitik, die die Ursache für diesen Anschlag in Schweden ist?" Bevor man sich diese Frage stellt, sollte man sich erstmal sicher darüber sein, dass es wirklich einen Anschlag gab und es nicht die Erfindung eines Politikers ist.
→ Es gibt Bücher, die dir erklären wollen, wie Homöopathie funktioniert, aber es wurde nicht bewiesen, dass Homöopathie überhaupt funktioniert. Es liegt nicht daran, dass darüber nicht geforscht wurde, es gibt viele Studien. Es gibt welche, die positiv sind, natürlich – aber erinnert euch an die 5%.
Eine einzige Studie zu lesen reicht eigentlich nicht. Und natürlich reicht es nicht, "Homöopathie" in Google einzugeben, um zu wissen, dass bisher noch nicht bewiesen wurde, dass es klappt, denn es gibt viele Bewürfworterseiten, deshalb benutze ich Google Scholar, eine Suchmaschine für wissenschaftliche Texte.
Eine Geschichte von Fontenelle:
1593 verbreitete sich das Gerücht, einem siebenjährigen Kind sei ein Goldzan gewachsen. Männer, die es für wahr hielten, stellen Theorien auf. Jahrelang schrieben sie Werke. Als ein Goldschmied das Kind unterscuht hatte, stellte sich heraus, dass es sich um ein am Zahn festgemachtes Goldblatt handelte. Zuerst hatte man die Bücher geschrieben und erst dann den Goldschmied zur Rate gezogen.
Wenn Leute neue, fremde Ideen nicht annehmen, heißt es nicht zwangsläufg, dass sie verschlossen sind...
❝Außergewöhliche Behauptungen fordern außergewöhnlich starke Beweise.❞
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