Vegephobie IV

 
  

Vegephobie - Teil IV

   

Vegane Eltern, die ihre Kinder ebenfalls vegan ernähren und erziehen, sind besonders von Antiveganismus betroffen, da VEG* generell als unverantwortlich gesehen werden: Sie begeben sich freiwillig in Gefahr, werden Mangelerscheinungen haben, erzählen Blödsinn, z.B. über Tierrechte, etc. Bei Eltern ist das noch schlimmer, weil sie auch noch unverantwortlich gegenüber ihren Kindern sind und ihnen ihren "Glauben" aufzwingen. Wenn sich ein erwachsener Mensch selbst schaden WILL, kann man ihn im Endeffekt nicht davon abhalten, aber bei Kindern gibt es ja den Kinderschutz.

Es ist ja dieses Phänomen der toten veganen Babys, das eigentlich kein Phänomen, sondern eine Illusion ist, da es ebenfalls Babys mit fleischessenden Eltern, die an Mangelerscheinungen sterben, nur ist das zu uninteressant. Ein "vegan" im Titel ist anziehender für eine Menge Leute, die ihre antiveganen Überzeugungen bestätigen wollen.

"11 Monat altes veganes Baby ist aufgrund von Mangelerscheinung gestorben" und vier Wörter bleiben im Gedächtnis: Baby, vegan, Mangelerscheinungen, gestorben.

Und manchmal ist es sogar so, dass man im Laufe des Textes erfährt: Das Baby ist mit einer Herzkrankheit geboren, die Eltern waren doch keine Veganer, da sie Käse gegessen haben,...

Also wenn ein nichtveganes Kind Mangelerscheinungen hat, kann es tausend Gründe haben, aber wenn das Kind vegan war, liegt es nur an der veganen Ernährung. Wieso kann ein veganes Kind nicht aus dem gleichen Grund mangelernährt werden wie ein Fleischessendes?

Mal wird beschrieben, wie die Eltern leben und da stehen einfach Sachen, die nichts damit zu tun haben, sodass sie oft außergewöhnlich, asozial (im Sinne von außerhalb der Gesellschaft stehend), vielleicht bisschen verrückt und natürlich können sich (die meisten) Leser nicht damit identifizieren. Und zum Beispiel macht es direkt einen schlechten Eindruck, wenn man erfährt, dass es Menschen gibt, die nicht auf Ärzte und Ärztinnen hören, weil direkt an Sekten gedacht wird, die lieber gegen Krankheiten beten, Magie versuchen oder sich mit Pseudo-Wissenschaft beschäftigen, aber es ist nun mal so, dass viele von ihnen nicht in der Lage sind, eine vegetarische Person korrekt zu beraten, was ihre Ernährung betrifft und noch weniger eine vegane.

° Alle Eltern der Welt, und dazu zählen auch vegane Eltern, sind nicht davor geschützt, Dummheiten zu machen. Veganismus immunierst nicht gegen Dummheit, Unverantwortung und mangelnden Menschenverstand. Und wenn die Eltern ihrem Kind nicht genug zu essen geben, gibt es zum Glück Strukturen, die dazu da sind, Kinder zu schützen und ihren Eltern das Sorgerecht entnehmen.
° Dann muss man beachten, dass es nicht immer einfach für Mütter ist, die ihre Kinder stillen wollen. Unsere Gesellschaft unterstützt das nicht. Wenn die Frau arbeiten geht, keine Unterstützung von Sozialhilfen, Stillen in der Öffentlichkeit kann zu Blicken, sexistischen Bemerkungen führen oder schlimmer, auch im eigenen Haus, wo der Frau gesagt wird, sie solle das im Badezimmer oder auf der Toilette weitermachen (wird also ausgeschlossen), dann gibt es Frauen, die meinen, dass sie doch keine Kuh oder anderes (Säuge)tier seien (Speziesismus) und es also von sich aus nicht wollen. 
Was braucht ein Baby? Es braucht Muttermilch. Viele Frauen stillen nicht mehr (bis zum Ende), sondern geben ihren Babys Kuhmilch. Wenn man das nicht tut, dann reicht es nicht, Pflanzenmilch zu geben. Und ein Babys trinkt/isst nichts anderes. Also muss es entweder gestillt werden oder es muss vegane Säuglingsmilchnahrung bekommen, wo Eisen, Kalzium, Vitaminen und andere Mineralien hinzugefügt wurden.
° In Deutschland ist ein Baby von 10 zu dick (Übergewicht) und man geht davon aus, dass es 2030 ein Baby von 4 sein wird. Also was werden wir mit diesen ganzen Eltern machen? Was werden wir mit den Millionen Eltern machen, die nicht auf die Ernährung ihrer Kinder achten? Oder sogar die Werbung für sie Entscheidungen treffen lässt? Werden wir Polizist·inn·en vor McDonalds einführen oder Wachen vor den Chipsregalen im Supermarkt? Was machen Richter·inne·n und Gerichte, die Kinder bei Eltern lassen, die nicht auf ihre Gesundheit achten?

Die Intention des Antiveganismus, der Veg[ie]phobie – je nachdem, welchen Begriff man bevorzugt – ist zu verhindern, dass Speziesismus oder Karnismus hinterfragt werden; zur Erinnerung: Speziesismus bezeichnet die moralische Diskriminierung von Lebewesen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit, also dass das Leben und Leid eines Individuums nicht oder weniger berücksichtigt wird, weil es kein Mensch ist (oder anderes Tier, das in unserer Kultur als nichtessbar kategorisiert wird); Karnismus ist die Ideologie, dass Fleisch zu essen normal, natürlich und notwendig sei, sowie das Unterteilen von Tieren in "essbar" und "nichtessbar".

Versucht wird, dass man darüber schweigt, weil man es nicht rechtfertigen kann und man leicht die Illusion, man könne es, mit einer ehrlichen und logischen Diskussion zerstören könnte.

Es hat also sein Ziel erreicht, wenn es dazu gekommen ist, dass VEG* sich nicht trauen, sich solidarisch mit den Tieren zu zeigen, wenn ihnen eingeredet wurde, ihre Überzeugungen seien nicht legitim und sie zu äußern sowieso.

Es wurde erreicht, wenn VEG* sich nur unsicher äußern, ihre Bemerkungen mildern, um den Konflikt verhindern, also im Endeffekt auf ihre volle Meinungsäußerungsfreiheit verzichten.

Das ist auch so, wenn ein/e VEG* es bevorzugt, zu sagen, dass er/sie das für die Umwelt oder Gesundheit machen oder weil ihn Fleisch "anekelt" (wegen dem Geschmack und nicht, weil es ein totes Tier ist) oder lieber Rezepte teilt, als über das Warum man sowas überhaupt macht zu reden oder Fleisch isst, obwohl er/sie nicht will, aber nicht darf oder was auch immer, weil sein Umfeld zu vegephob ist.

Aber die Betroffenen, sprich die geschlachteten Tiere können nicht reden, das heißt, dass wir Menschen das für sie machen müssen (sonst ist es aber immer besser, die Opfer reden zu lassen, statt für sie zu reden), aber wenn man durch diesen Schweigen verlieren sie an Stimmen.

Manche denken, dass die VEG*, die sie kennen, den Veganismus als ganzes repräsentieren und sagen ihnen "deinetwegen finde ich Veganismus dumm!".
Andere wollen ihnen erklären, wie sie eine Message am besten rüberbringen sollen, die sie selber nicht vertreten...

Eine Folge davon ist, dass von VEG* erwartet wird, dass sie gesund sind, sportlich, sozial integriert (obwohl sie eher ausgeschlossen als aufgenommen werden), immer gut gelaunt, sie sollten sich niemals schlecht fühlen und einen Schwächeanfall haben, einen guten Beruf haben, glücklich im Leben sein, höflich bleiben, egal in welcher Situation, egal, was gesagt wurde und sie müssen darüber lachen können, wenn man ihnen sagt, dass eine Karotte schreit, wenn man sie beißt.

Sie sollten nicht über Themen reden, die andere nerven - also nicht über Ethik, nicht über Tiere, etc., sie sollten bloß nicht blass sein, aber dafür nett, freundlich, sanft, dürfen sich nicht über Leid aufregen, dürfen nicht zu dick sein, zu dünn, orthorektisch, magersüchtig, allgemein essgestört, sollte gepflegt angezogen sein,...

Manche VEG* hören auf diese Leute und denken, dass sie eine Vitrine für den Veganismus sind, glauben, dass wenn sie etwas falsch machen, gleich alle VEG* schlecht machen.

Sie versuchen durch ihre Person zu zeigen, dass es einfach ist, VEG* zu sein und naja, das ist es nicht unbedingt. Klar, ich sage immer, dass das nicht mit dem, was die Tiere erleben zu vergleichen und dass die, die behaupten es wäre schwer sich von den Menschen unterscheiden, die behaupten es wäre leicht, indem sie das Ganze auf sich beziehen und nicht auf die Tiere, aber ich meine nicht (unbedingt) das Umstellen der Ernährung, nicht das auf tierische Produkte verzichten, etc., sondern wegen der Reaktion der anderen Menschen.

Eigentlich ist das (soziale) Leben einfacher für die Menschen, die der Norm entsprechen, in diesem Fall tierische Produkte konsumieren


Eigentlich ist das (soziale) Leben einfacher für die Menschen, die der Norm entsprechen, in diesem Fall tierische Produkte konsumieren. Es gibt auch die Leute, die Allergien haben, für die das Essen mit anderen Menschen auch schwierig sein kann, aber wird von ihnen erwartet, dass sie sich rechtfertigen und pädagogisch irgendetwas erklären, wofür sich im Endeffekt niemand interessiert? Müssen sie sich deswegen Witze anhören? Werden ihnen Dinge unterstellt, die sie nie behauptet haben?

Auch wenn es aus religiösen Gründen ist es meines Erachtens auch weniger schwer, da direkt als persönliche Entscheidung gesehen wird.

Im letzten Kapitel hatte jemand gemeint, dass es schwierig ist, wenn ein Kind bei einem Geburtstag eingeladen wird und habe mich gewundert, was das soll, aber nicht, weil ich nicht finde, dass es schwer ist oder sein kann, sondern weil das als Gegenargument zum Veganismus genommen wurde. Wieso ist das denn schwer Wegen Antiveganer-inne-n, nicht wegen Veganismus. Anstatt gegen Antiveganismus zu sein, ist man lieber Antiveganer-in. Das erinnert mich an Menschen, die meinen, dass sie gegen ein Adoptionsrecht bei gleichgeschlechtlichen Paaren wären, weil das Kind gemobbt werden. Von wem? Von homophoben Menschen. Aber anstatt gegen Homophobie zu sein, ist man lieber selber homophob. Lieber seine Homophobie / Vegephobie dadurch rechtfertigen, dass es Homophobie / Vegephobie gibt.

In solchen Momenten, also wenn man eingeladen wird, aber im Endeffekt doch nicht mitessen kann (kann sich auch um eine Einladung zum McDonald's oder Eisessen handeln) kann man, finde ich jedenfalls, schon erwarten, dass die Leute sich zu etwas umentscheiden, damit auch du dabei sein kannst. Stellt dir vor, es handelte sich um eine Allergie oder einen Hinduisten, der aus religiösen Gründen kein Fleisch isst?

Würden die anderen wirklich wollen, dass du dabei bist, würden sie entweder was anderes essen oder sie würden dir etwas anderes geben / vorschlagen, was du gleichzeitig essen kannst.

Erst recht, wenn du bei Menschen zu Hause eingeladen wirst. Du lädst zehn Personen ein, die eine ist muslimisch, du bereitest doch nicht genau an diesem Tag Schweinefleisch oder du kochst etwas extra für die Person und wenn du vergessen hast, dass die Person nicht alles isst, dann entschuldigst du dich auch, statt zu sagen "ja, es ist aber meine persönliche freie Entscheidung, was ich heute koche".

Vielleicht wird man aber auch deswegen nicht eingeladen, weil die Leute Angst haben, dass du nervig wirst. Zum Beispiel zu einer Grillparty – laden wir XY ein? Nein, er ist Veganer, der wird nur nerven.

Auch sich plötzlich dem Leid der Tiere bewusst zu werden kann für manche schwer sein, plötzlich im Supermarkt TIERteile zu sehen, was andere als FLEISCHteile sehen und zu wissen, dass Menschen, die man liebt, das ganze finanzieren und somit unterstützen.

Wie gesagt gibt es VEG*, die einen gute Eindruck machen wollen, dass es genau so einfach ist, VEG* zu sein als Fleischesser-in, aber der Grund dafür ist ja die Vegephobie, denn sie wissen, dass jeder Fehler, ob realer oder unterstellter, von Veganismusgegner·inne·n profitiert werden kann. So versuchen sie immer sich zu rechtfertigen, glaubwürdige Gründe zu finden, um anderen zu gefallen.

Wieso sich die Mühe machen? Welcher sozialer Kampf erwartet, dass ihre Vertreter·innen perfekt sind? Keiner.

Das Argument "du bist [negative Eigenschaft der veganen Person], deshalb ist Veganismus dumm / nicht gut / deshalb möchte ich nicht vegan sein" ist ungültig und hat einen Namen: argumentum ad hominem; und Wikipedia sagt dazu:

"Unter einem argumentum ad hominem [...] wird ein Scheinargument verstanden, in dem die Position oder These eines Streitgegners durch einen Angriff auf persönliche Umstände oder Eigenschaften seiner Person angefochten wird. Dies geschieht meistens in der Absicht, wie bei einem argumentum ad populum, die Position und ihren Vertreter bei einem Publikum oder in der öffentlichen Meinung in Misskredit zu bringen."

Die Richtigkeit einer Behauptung hat nichts mit der Person, die sie ausgesprochen hat, zu tun. Man ernährt sich nicht vegan, um einem Klub zu gehören, um anderen Veganer-inne-n zu gefallen, etc.

Es gibt auch die fehlende Solidarität zwischen VEG*, nämlich eine·r von ihnen sagt: "Weißt du, ich bin selber VEG*, wie du, und ich kann deine Ansicht und Wut verstehen, aber bitte, lass die Menschen essen, was sie wollen."

Und sie versuchen sich selber von "extremen" Veganer·inne·n zu distanzieren.

VEG* versuchen es zu vermeiden, sich empört oder wütend zu zeigen, sowie die Verhaltensweisen, die sich aus diesen Gefühlen ergeben

VEG* versuchen es zu vermeiden, sich empört oder wütend zu zeigen, sowie die Verhaltensweisen, die sich aus diesen Gefühlen ergeben. Diese Reaktionen würden jedoch vollkommen normal sein, handelte es sich um andere Formen von Gewalt.

Einfach weil manche schon davon ausgehen oder sich die ganze Zeit einreden, dass es keine Notwendigkeit darstellt, Fleisch-, Milch- und Eierkonsum zu hinterfragen, dass es eine persönliche Entscheidung ist und man nicht darüber reden kann (/ wollen sollte), weil es ein Thema wäre, worauf man nicht auf die eine Sache einigen kann, weil alle ihre eigene Meinung haben und alle selbst entscheiden sollten, was IHNEN am liebsten ist (außer, wenn du nichtmenschlich bist). 
Wie man jemanden nicht zwingen kann, lieber gelb als grün zu mögen, so kann man nicht erwarten, dass jemand aufhört Tierleid finanziell zu unterstützen.

Verzicht auf Tierausnutzung kann keine persönliche Entscheidung sein, das macht keinen Sinn. Wenn man eine Tat schlecht, ungerecht, unmoralisch, etc. findet, ist das nicht nur so, wenn man selber die Sache tut, sondern es ist egal, wer das macht.

Wie ich schon mal schrieb, kann Antiveganismus von Sexismus begleitet werden, z.B. "Männer müssen Fleisch für den Muskelaufbau essen", "du bist doch kein Mädchen", "wieso hast du Mitleid mit Tieren?", "sie ist eine Frau, ist normal, dass sie irrationale Entscheidungen trifft" oder Homophobie, aber zu sagen, dass Veganer·innen magersüchtig oder orthorektisch sind, ist auch Ableismus und "hä du bist Veganer·in, bist aber fett?!?" Fat Shaming, sowie "Veganer·in sind so ekelhaft dünn, will nicht so werden wie die" Skinny Shaming ist.

 "Männer müssen Fleisch für den Muskelaufbau essen", "du bist doch kein Mädchen", "wieso hast du Mitleid mit Tieren?", "sie ist eine Frau, ist normal, dass sie irrationale Entscheidungen trifft" oder Homophobie, aber zu sagen, dass Veganer·innen m...

Ende: Ich habe sicherlich nicht alle Arten der Vegephobie aufgezählt. Aber man sieht insgesamt, dass versucht wird, VEG* zum Schweigen zu bringen oder ihre Worte zu delegitimieren. Es wird verhindert, dass der Status der Tiere hinterfragt wird.

Ich glaube, dass es VEG* bewusst werden muss, dass sie nicht verpflichtet sind, sich für jedes einzelne Detail zu rechtfertigen, weil manche Bemerkungen sowieso nur dazu gedacht ist, sie aufzuregen. Sie sind eigentlich auch nicht dazu verpflichtet, andere aufzuklären, wenn sie sich nicht in der Lage dazu fühlen. Aber sie sollten das aussprechen können, was sie aussprechen wollen und die Themen ansprechen, die sie ansprechen wollen.

Je mehr VEG* sich verstecken und schweigen, desto mehr wird es den Leuten leicht fallen, sich darüber lustig zu machen.