Um die Frage zu beantworten, ob Veganer-innen Medikamente zu sich nehmen dürfen, muss an der offiziellen Definition der "Vegan Society" erinnert werden:
❝Veganism is a way of living which seeks to exclude, as far as possible and practicable, all forms of exploitation of, and cruelty to, animal for food, clothing or any other purpose.❞
Auf deutsch: ❝Veganismus ist eine Lebensweise, die alle Formen der Ausbeutung und der Grausamkeit von Tieren für Nahrung, Kleidung oder andere Zwecke, soweit dies möglich und praktikabel ist, vermeiden will.❞
Mit dieser Definition haben wir schon eine Antwort. Wenn es keine Alternative zu bestimmten Medikamenten gibt, hat man keine bzw. keine richtige Wahl. Veganismus ist eine moralische Einstellung und da die Frage der Moral sich nur stellt, wenn man eine Wahl hat, muss akzeptiert werden, dass es Notfallssituationen gibt. Veganismus erlaubt Notfallsfälle. Veganer-innen können, wenn es keine Alternative gibt, Medikamente nehmen, auch wenn sie auf Tiere getestet wurden und/oder tierische Substanzen enthalten (wie Laktose, Gelatine, Bienenwachs, Darmschleimhaut, etc.).
Es ist übrigens ein guter Anlass, um daran zu erinnern, dass der Veganismus nichts mit der "pro-life"-Bewegung zu tun hat. Wer nicht weiß, was das ist, das sind (hauptsächlich) Abtreibungsgegner-innen. Auch wenn es eigentlich logisch wäre, vegan zu leben, wenn man pro-life ist, ist es andersrum überhaupt nicht der Fall. Über die Bewegungen der Impfgegner-innen äußert sich der Veganismus nicht, das hat auch hier nichts damit zu tun und kommt viel mehr auf die einzelnen Personen an.
Was Tierversuche angeht, muss jedoch erinnert werden, dass sie nicht notwendig sind, sondern vielmehr irreführend - darüber habe ich schon geschrieben.
Tierversuche werden auch nicht nur für "körperliche" Krankheiten verwendet, sondern auch für psychische: Tiere bekommen beispielsweise Stromstöße, damit über Depression geforscht wird. Darauf hat man in der Regel nicht viel Einfluss.
Bei Medikamente ist es nicht, wie bei der Nahrung. Hier kann man sich nämlich nicht für eine Alternative entscheiden und Medikamente zu boykottieren ist gefährlich für die Gesundheit. Die Macht des Konsumenten ist da nicht groß, deshalb muss für diesen Bereich nach anderen Lösungen gesucht werden.
Da man keine Entscheidung hat, ist man nicht weniger vegan, wenn man nicht-vegane Medikamente zu sich nimmt (siehe die Definition). Klar, wird das Leben anderer quasi für dich geopfert, aber es ist wichtig, auch an sein eigenes Wohlbefinden zu denken, denn man kann sich nicht für die Rechte anderer einsetzen, wenn man selbst nicht gesund ist.
Allerdings kann man anmerken, dass einige Krankheiten, vorallem als junger Mensch, leicht zu vermeiden sind; indem man sich gesund ernährt (genug Vitamine, etc.), genug schlafen (bei Jugendlichen ungefähr neun Stunden), genug frische Luft, genug Bewegung, Stress vermeiden, usw. stärkt das Immunsystem. Nicht rauchen, eine Jacke anziehen, wenn es kalt ist, usw. ist sowieso klar. Natürlich ist dies auch nicht für alle umsetztbar, je nachdem, was man für eine Lebenssituation hat, wenn man aber in der Lage ist, dies zu beachten, sollte man es selbstverständlich tun.
Ich wollte auch hinzufügen, dass Veganismus keinen Ableismus entschuldigen sollte.
Es ist ableistisch davon auszugehen, dass alle Menschen das essen können, was du essen kannst. Man sollte keiner fremden Person verheimlichen, was sie isst. Wenn du vegane Cookies mit Mandelmilch bäckst und es nicht der Person sagst, weil du ihr quasi eine Überraschung machen willst ("das ist vegan! siehst du? gar nicht so schlimm!") kann die Person ins Krankhenhaus, wenn sie eine Mandelallergie hat.
Man kann auch eine Allergie gegen beispielsweise Nüsse, Obstsorten (Kiwis, Bananen, Ananas, Äpfel, etc.), Gemüsesorten, Sojaprodukte, Getreide, Gewürze, uvm. mehr haben.
Es bedeutet nicht (zwangsläufig), dass sie nicht vegan werden können, sondern dass man zuerst sicherstellen muss, dass die Person das essen kann, bevor man sie veräppeln will.
Wenn man sonst auch Menschen begegnet, die Krankheiten haben, die mit der Nahrung zusammenhängen, sollte man auf das, was man sagt, aufpassen. Einfach nicht über sie urteilen, wenn man nicht mal über die Krankheit informiert ist. Ich finde es nicht in Ordnung, Menschen mit Essstörungen wie beispielsweise Anorexie, die bereits ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle in einem Zusammenhang mit Nahrung haben, ein noch schlechteres Gefühl und noch mehr Schuldgefühle zu geben. Man sollte zuerst warten, bis sie gesund sind, denn es handelt sich um eine gefährliche Krankheit, die zum Tod führen kann.
Es gibt weitere Fälle, wo sich Veganer-innen leider ableistisch äußern oder verhalten. Um dies zu verhindern, ist es ein guter Anfang, sich über Ableismus im Allgemeinen zu informieren.
Auf eine Unterdrückung aufmerksam zu machen, indem man selbst zum Unterdrücker wird, ist nicht glaubwürdig. Leute können, auch Desinteresse für das, was du sagst, entwickeln.