Wie habe ich schon folgendes gelesen?
"Ach... das mit den Labels ist zu kompliziert... Wie wäre es, wenn wir einfach nur alle Menschen sind?"
Ich denke - ich weiß es nicht mehr? -, dass ich schon mal geschrieben hatte, dass ich allein die Idee, Leute verhindern zu wollen, bestimmte Wörter zu verbieten (es sei denn, sie sind politisch unkorrekt), ganz furchtbar finde. Wenn es beispielsweise das Wort "homosexuell" nicht mehr gibt, können Menschen gar nicht sagen, dass sie es sind, sodass sie als hetero wahrgenommen werden (unsere Gesellschaft ist NUN MAL heteronormativ), also können Menschen gar nicht wissen, dass es sowas gibt und man kann diese Menschen auch gar nicht darauf aufmerksam machen.
Das ist verkappte LGBT-Feindlichkeit. Dadurch verhindert man, dass die Betroffenen über sich selbst reden können und so bleiben sie weiterhin unsichtbar.
'Warum schreibst du in deiner Beschreibung, dass du asexuell bist? Juckt doch niemanden! Ich schreibe doch auch nicht, dass ich hetero bin. Interessiert auch niemanden!"
Wenn sie das in der Beschreibung preisgeben, ist es damit Leute sehen, dass sie existieren. Leute stoßen auf das Profil und denken sich, "ah schon wieder so jemand. Sie sind viele. Vielleicht sollte mehr an ihnen denken."
Sowas ist bei Heteros übelst unnötig. Ja, es interessiert wirklich niemanden, dass du hetero bist.
Es ist auch wegen der Heteronormativität. Sie schreiben es in ihrer Bio, damit sie, wenn sie angesprochen werden, nicht immer wieder erklären müssen, "hm ne, ich habe keine-n Traumfrau/-mann. Das Geschlecht interessiert mich nicht", denn in unserer Gesellscahft gilt: Solange du nichts Gegenteiliges gesagt hast, bist du hetero.
Sowas ist bei hetero übelst unnötig. Niemand wird "ausversehen" denken, dass du pansexuell bist.
Indem du "Labels sollte es nicht geben" sagst, machst du Menschen, die als "anders" empfunden werden, wie gesagt, unsichtbar.
Im Rassismus nennt man sowas "Colorblindness" (ich weiß nicht, ob der Begriff ableistisch ist, könnte es mir vorstellen, aber da es der "offizielle" Begriff ist, schreibe ich ihn trotzdem, damit, wenn jemand sich weiter darüber informieren will, weiß, wonach er oder sie suchen muss).
Das ist, wenn jemand sagt, "mir ist die Hautfarbe vollkommen egal, ich behandle alle ausnahmlos gleich".
Es ist eine Art von Rassismus. Es lässt rassistische Menschen nicht-rassistisch erscheinen. Denn du kannst nicht ordentlich über Rassismus reden, darüber nachdenken, etc. wenn du die Hautfarben der Menschen nicht "siehst". Dir kann dann nicht auffallen, "ah ja stimmt, diese Menschengruppe wird benachteiligt, es muss was dagegen unternommen werden".
"Colorblindness" macht Rassismus unsichtbar. Und Rassismus unsichtbar zu machen ist rassistisch.
Stellt euch vor, jemand würde sagen, "wer krank ist und wer nicht, das sehe ich alles nicht. Wir sind alle Menschen. Wir sind alle gleich. Wir bekommen alle das gleiche. Wieso willst du Medikamente? Bekommen die anderen auch nicht. Nein, kranke Menschen sind nicht besser als gesunde Menschen. Hör auf so diskriminierend zu sein. Krank = gesund, nicht krank > gesund. Ich bin für Gleichberechtigung."
❝All animals are equal, but some animals are more equal than others.❞
- George Orwell in seinem Buch "Farm Animals". Beschreibt gut, wohin "Colorblindness" führt.
Ich habe nie, nie, nie verstanden, wie Menschen so offen sagen können, dass sie ihr Wortschatz nicht erweitern wollen.
Mir wurde mal erklärt, dass desto mehr Wörter hat eine Sprache, desto intelligenter sind die Menschen, die sie schreiben - und dass es der Grund wäre, weshalb es so viele "griechische Philosophen" gibt (griechisch ist laut dem Guiness-Buch die wortreichste Sprache der Welt!).
Ich weiß nicht, ob es stimmt
- aber man sagt auch nicht, "in der Anatomie gibt es so viele Wörter... Wieso sagen wird nicht einfach, dass das alles Knochen sind und das Muskeln? Alle genaueren Bezeichnungen können wir abschaffen" oder "Wieso gibt es so viele verschiedene Pflanzennamen? Können wir nicht einfach Blumen und Bäume sagen und andere Wörter abschaffen? Das ist sonst zu kompliziert."
Lasst die Menschen, die diese Wörter verwenden wollen, diese Wörter verwenden. Es ist das gleiche mit den Labels.
Letztens auf Twitter habe ich gelesen, wie ein Mädchen schrieb, dass sie bi ist und ein Mann meinte drunter,
"und jetzt auf deutsch!
- das ist deutsch.
- ah ok, ich werde also in meinem deutschen Neusprech-Wörterbuch nachschauen."
Also ich erkläre euch, was Neusprech ist, da es DIE GANZE ZEIT VERDREHT WIRD. Es ist ein Konzept, das George Orwell (er schon wieder) für seine Dystopie "1984" erfunden hat.
Das wichtigste über das Buch zu merken, ist: Totalitärismus, Massenüberwachung.
Eins der Werkzeuge, um die Menschen zu kontrollieren, ist Neusprech.
Das Prinzip ist mega einfach: Das Vokabular einer Sprache so weit es nur geht zu verkleinern.
Denn, wenn man das Vokabular verkleinert, verkleinert man die Konzepte, die man mit Worten ausdrückt. Man verringert die Gedanken der Menschen und es ist unmöglich den Staat zu kritisieren, da die benötigten Wörter nicht mehr existieren.
Zum Beispiel gibt es den Begriff "thoughtcrime" und beschreibt alle Gedanken, die illegal sind, aber man kann nicht genau sagen, worüber man spricht, da alle Themen, die illegal sind, thoughtcrime genannt werden. Würde, Gerechtigkeit, Moral, Internationalismus, Demokratie, Wissenschaft, Religion,...
Die Idee dieser Sprache wird aber zu häufig falsch von Menschen, die das Buch nicht gelesen haben (oder vielleicht doch?), verwendet - wie beispielsweise hier: Ein neues Wort wird erfunden (abgesehen, dass das Wort bi gar nicht neu ist...), "NEUPSPRECH!!!".
Neusprech = Wörter abschaffen. Jedes abgeschaffene Wort ist ein Sieg, das steht ausdrücklich im Buch. Nicht neugeschaffene Wörter.
Die Menschen, denen man generell Neusprech vorwirft, erweitern das Vokabular der deutschen Spache, um "neue" Konzepte beschreiben zu können. Wörter, die es ermöglichen, unsere Gesellschaft besser zu verstehen, um es einfach zu haben, sie zu kritisieren; um auf Leid aufmerksam zu machen, der bisher für Teile der Gesellschaft unsichtbar war.
Stellt euch vor, ihr müsstet "Heteronormativität" jedes Mal erklären, wenn ihr darüber reden wollt, anstatt einfach ein Wort zu schreiben, das schon alles zusammenfasst...
Die Leute, die "Neusprech" rufen, wenn sie mit einem Wort / einem Konzept konfrontiert werden, das / den sie nicht kennen, sind in Wirklichkeit diejenigen, denen man das eher vorwerfen sollte.
Heutzutage ist es schon ein rhetorisches Werkzeug geworden, um Leute zu verhindern, mit neuen Wörtern zu reden.
WAS FÜR EINE IRONIE!